Feste feiern im RU

... am Beispiel eines klassenübergreifenden Martinsfestes

Die überwiegende Zahl der Festtage im Jahreslauf geht auf religöse Wurzeln zurück: Auf biblische Überlieferung (etwa Weihnachten, Ostern, Pfingsten), auf Brauchtum (wie Fronleichnam, Martinstag) oder auf  Kirchengeschichte (z.B. Reformationstag).  Da liegt es nahe, dass der Religionsunterricht sozusagen aus "erster Hand" mit den Hintergründen der Feste vertraut macht. Darüber hinaus kann aber vom religionspädagogischen Engagement ein wichtiger Impuls für die Schulkultur ausgehen. Immer dann, wenn nicht nur über Feste geredet , sondern zusammen gefeiert wird. Der folgende reliforum-Beitrag zeigt, wie dies mit einem klassenübergreifendes Fest für Jung und Alt gelingen kann - nicht nur zum Martinstag!

Didaktisch-curricularer Rahmen

Hinweis: Ich beziehe mich auf den Lehrplan Evangelische Religion für die Grundschule in Schleswig-Holstein, der hier eingesehen werden kann: [Lehrplan ansehen].

 Warum sollte ich mich im Religionunterricht mit Festen beschäftigen?

Erstens: Festtage strukturieren den Jahreslauf und sind fundamentale Orientierungspunkte. Zweitens: Es ist gut, über ihre Herkunft Bescheid zu wissen."Auch zum Selbstverständnis des Religionsunterrichtes gehört es, den Kindern das Geheimnis unserer Feste zu offenbaren", schrieb der katholische Religionspädagoge Hubertus Halbfas (Religionsunterricht in der Grundschule - Lehrerhandbuch 2, Düsseldorf:Patmos 1984, S. 117). Mir geht es weniger darum, die Geheimnisse als die eigentlichen Quellen der Feiertage zu erschließen, grundsätzlich stimme ich Halbfas aber zu.
Drittens: Gemeinsam Feiern ist ein wichtiger Teil der Schulkultur, der im Lehrplan verbrieft ist. Religion hat - wie zuvor gesagt - das Feiern in unserem Kultukreis grundlegend geprägt. Ich sehe es daher als eine sehr lohnenswerte Herausforderung für den RU an, Impulse für eine Schulkultur des Feierns  zu geben.  Hier hat der Religoinsunterricht die Möglichkeit, unter Beweis zu stellen, wie viel Handlungsorientiertes und Erlebnismäßiges in ihm steckt. Dabei sind nicht nur kognitive religiöse Lernziele zu verfolgen (Etwas über die Herkunft von Feiertagen zu wissen), sondern es werden ebenso die soziale Dimension (Kooperation, Einstellung und Verhalten) und praktische und musisch-ästhetische Fertigkeiten (Brauchtumspflege, Theaterspiel, Musizieren usw.) angesprochen und gefördert.

Kurz gesagt: Feiern als Thema des Religionsunterrichtes  eröffnet den Schülern ein tieferes Verständnis ihrer Lebenswelt und befähigt sie auf handlungsorientierte und erlebnismäßige Weise,  das Zusammenleben vielfältiger zu gestalten.      

Mehr theoretische Details? Eine Mindmap zur didaktischen und curricularen Einordnung des Martinsfestes in den Religionsunterricht findet sich hier [Große Mindmap - Download ]

 

Das Programm: "Workshops und Traditionelles"

Unsere Schule besuchen etwa 90 Schülerinnen und Schüler mit Körperbehinderung in unterschiedlichen Bildungsgängen: Realschule, Grund- und Hauptschule- Förderschule und Schule für Geistigbehinderte. Die Altersspanne reicht von sechs bis 18 Jahren und der Assistenzbedarf für das Martinsfest rangiert zwischen intensiver Unterstützung durch eine Begleitperson bis hin zu selbstständiger Teilnahme.   

Schon wegen der Altersstruktur der Schülergruppe liegt es auf der Hand, dass ein Martinsfest nicht nur aus einem traditionellen Laternegehen mit Martinsreiter bestehen kann. Da würden die Älteren schnell ablehnend reagieren und sich fehl am Platze fühlen: Und wer würde auch eine Siebzehnjährige Schülerin noch zum Laternegehen ermuntern wollen?

Das Planungsteam unter meiner Leitung hat sich deswegen entschieden, diverse Angebote für diesen Tag zu unterbreiten:

  • Laternegehen für die Jüngeren und alle, die Lust dazu haben.
  • Workshops zu Themen rund um Sankt Martin für die Älteren (oder diejenigen, die Laternelaufen "doof" finden):

Die Workshop-Gruppen verteilen sich auf unterscheidliche Klassenräume in Aula-Nähe und werden von Kolleg/innen geleitet:

  • Quiz à la "Der Große Preis" zum Thema Martinstag (Einen Online-Quiz zur Biel nach dieser Machart finden Sie hier:  Der Große Bibel Preis ).
  • Reporter-Gruppe: 3-4 Schüler, die die Workshopgruppen aufsuchen oder den Laternenumzug begleiten, Fotos schießen und kurze Artikel dazu verfassen. (Die Ergebnisse werden später auf einer Infowand veröffentlicht.) 
  • Bastel-Workshop: Herbstliche Windlichter werden gestaltet
  • Back-Workshop (Traditionelle Backwaren zum Martinstag, z.B. Weckmänner und Hefe-Brötchen; Rezepte siehe unten: "Hilfreiche Links")
  • Herstellen einer Infowand mit Bildern, Landkarten, Texten zu Martin von Tours

Eingeladen wurden alle Schüler/innen und Eltern. Die verschiedenen Angebote werden durch einen gemeinsamen Beginn (Schattenspiel mit Sankt-Martins-Lied) und ein gemeinsames Ende mit einem Ritual gerahmt (s. im weiteren Verlauf dieses Beitrages). 

Für die Planung erwiesen sich folgende Punkte als hilfreich:  

 Zu Anfang:

  • Zustimmung und Unterstützung des Kollegiums einholen (Vorschlag: durch die Lehrerkonferenz)
  • Arbeitsgruppe Planungsteam einberufen  und Ablauf planen
  • Woher bekommen wir das Martinspferd mit Reiter/in?
  • Route für das Laternegehen festlegen

 Ca. 4-6 Wochen zuvor:

  • Elternbriefe versenden /Rückmeldungen (Anzahl Gäste) sammeln. 
  • Kollegium über den Stand informieren
  • Listen erstellen: Welche Schüler benötigen Begleitung/Assistenz?
  • Einteilung der Kolleg/innen zu Workshop-Angeboten

Ablauf

16.00: Gemeinsamer Beginn:

Anmoderation und Einstimmung in die Martinslegende mit dem Schattenspiel in der Aula. 

Gegen 16.30 können die Teilnehmer des Festes zwischen zwei Angebotsblöcken wählen:

 Alternative 1: Laternegehen mit dem Martinsreiter

Anschließend:

  • Kinderpunschtrinken und
  • Martinsliedersingen am Feuerkorb auf dem Schulhof  

Alternative 2: Workshop-Angebote

  • Back-Workshop 
  • Bastel-Workshop
  • Quiz-Workshop
  • Reporter-Team

 Gemeinsamer Abschluss (gegen 17.30)

Wir treffen uns in der Aula. Die Reportergruppe berichtet von den Workshopangeboten und dem Laternelaufen.Wir erinnnern uns an die Martinslegende und singen das traditionelle Sankt Martinslied.

Als Symbol werden Weckmänner/Hefebrötchen untereinander geteilt (die zuvor von der Backgruppe hergestellt wurden.

Ende gegen 18.00 Uhr

Einstieg: Das Martins-Schattenspiel  

Die Martinsgeschichte lässt sich ansprechend und mit wenig materiellem Aufwand (Bettlaken, Diaprojektor, Stabpuppen) in einem Schattenspiel darstellen. Die Stabpuppen für das Schattentheater haben wir nach den Vorlagen von Ekkehard Stier gestaltet. Der Text zum Schattenspiel, den Rebecca Johannsen verfasst hat, ist stark elementarisiert. Er eignet sich auch für jüngere Kinder. Wir haben das Problem mit dem Lampenfieber so gelöst, dass wir den gesamte Text zuvor in entspannter Atmosphäre auf Band aufgenommen und dann zur Vorführung abgespielt haben. Das Schattenspiel wird klanglich begleitet durch Geräusche, die z.B. auf UK-Medien wie BigMacks aufegenommen und an der passenden Stelle abgespielt wurden.

Text zum Schattenspiel (Autorin: Rebecca Johannsen) - 1.Szene

Erzähler: Es ist Winter, ein sehr kalter Winter (Pause). Es liegt Schnee und draußen pfeift der Wind (Pause).

Martin kommt langsam von rechts ins Bild geritten.

Erzähler: Martin ist ein römischer Soldat. Er kommt von einem Ausritt. Martin wärmt sich mit einem Mantel und hat ein Schwert bei sich (Pause).

      2. Szene       

Stadttor wird aufgelegt, Bettler sitzt am linken Rand im Stadttor.
Erzähler:       Bald sieht er die Stadt vor sich liegen (Pause).
Martin:       Ich bin so froh, wieder ins Lager zu kommen, um mich aufzuwärmen (Pause).

Martin reitet zum Stadttor. Erzähler:     Vor dem Stadttor muss Martin kurz warten. Da stellt sich ein Bettler in den Weg.

Bettler:     Mir ist sooooo kalt. Der Frost tut schrecklich weh. Niemand hilft mir in meiner Not.  Erzähler:    Martin guckt ihn an.
Bettler: Ich habe kein Zuhause, und niemand will mich bei sich aufnehmen. Alles, was ich besitze, sind diese schmutzigen Lumpen hier (Pause).
Martin:     So kalt wie das heute Abend ist, erfrierst du noch heute Nacht, wenn dir keiner hilft!

  3. Szene

Erzähler: Martin zügelt sein Pferd und steigt ab. Er sucht in seinen Taschen. (Pause)
Martin: Was kann ich dir nur geben?
Erzähler: Martin nimmt seinen Mantel, holt sein Schwert und teilt damit den Mantel (Pause).
Martin:  Hier, da hast du die Hälfte von meinem Mantel!
Erzähler: Er lässt den Mantel in die Hände des Bettlers fallen.
Bettler:  Vielen, vielen Dank! Hab tausend Dank. Das tut gut!

  4. Szene

Erzähler: Der Bettler legt sich den Mantel um und Martin steigt wieder auf sein Pferd und reitet davon.

 Das Abschlussritual

Aufgrund der Planung waren ja die Teilnehmer/innen des Festes auf ganz unterschiedliche Angebote verteilt: Sie kehrten vom Laternengehen zurück, wärmten sich bei Heißgetränken auf oder hatten sich auf verschiedene Workshops verteilt. Damit die Veranstaltung einen runden Abschluss bekam, bei dem sich alle Festteilnehmer/innen noch einmal sehen konnten, haben wir ein Abschlussritual eingeplant. 

Dieses Ritual ist traditionell und Ihnen sicherlich bekannt: Wir teilten gemeinsam Weckmänner, bzw.  Hefebrötchen, die in der Backgruppe hersgestellt wurden. Hierbei wurde die Botschaft der Martinslegende - das Teilen - noch einmal ganz konkret vor Augen geführt. Schüler teilen mit anderen Gästen, Groß und Klein wurde wird hier noch einmal verbunden. Wir begleiteten das Teilen mit dem Sankt Martinslied.    

Abschließende Gedanken

Die Durchführung eines solch großen Festes wie dem beschriebenen Martinsfest ist natürlich nur möglich, wenn es durch viele Kolleg/innen engagiert unterstützt wird. Das müssen gar nicht alles religionspädagogisch ausgebildete Lehrkräfte sein. Auch an unserer Schule sind Religionslehrer in der Minderheit. Daher ist es wichtig, dass das gesamte Projekt von vielen Schultern getragen wird. Wie das geht? Folgende Punkte scheinen mir wichtig.

Die eigene Motivation  

Ich hatte mich bereits eine Weile mit der Idee getragen, ein religionspädagogisch motiviertes Fest an unserer  Schule durchzuführen. Ich schreckte zunächst vor der Komplexität zurück, der ich mich mit dieser Aufgabe alleine stellen sollte. 'Meine' neue Lehramtsanwärterin unterstützte diese Idee: So war die Realisation plötzlich in greifbare Nähe gerückt. 

Unterstützung und Zustimmung im Kollegium

Ich halte es für wichtig, dass das Kollegium frühzeitig über das Vorhaben und die damit verbundenen Anforderungen informiert wird. Auf einer Lehrerkonferenz können Vorbehalte und Bedenken geäußert werden (war bei uns zum Glück nicht der Fall!). Das Fest sollte nur angegangen werden, wenn das Kollegium seine Unterstützung signalisiert.    

Aufgabenverteilung und Information

Ein solch großes Fest kann nur mit der tatkräftigen Unterstüzung vieler gelingen. Wertschätzen Sie daher das Engagement ihrer Kolleg/innen, indem Sie darauf achten, dass niemand über seine Einsatzmöglichkeiten im Unklaren bleibt: Verdeutlichen Sie allen Beteiligten ihre Aufgaben und Abläufe des Festes. Halten Sie bei jeder Planungssitzung konkrete Namen für Aufgaben fest undzeigen Sie auf, wo Freiräume für Eigenverantwortung liegen.

Hilfreiche Links

http://www.martin-von-tours.de Eigentlich bräuchte man keinen anderen Link mehr angeben. Hier finden Sie alles über Martin von Tours und das Martinsfest.

http://www.zzzebra.de   Bei ZZZEBRA finden Sie eine Vielzahl von Rezepten, Liedern und Bastelanleitungen rund um's Jahr . Ein Top-Link, nicht nur zur m Martinstag!

"Wir feiern den Martinstag" : Das Werkheft von Ekkehard Stier für das Schattenspiel - Buchpräsentationsseite des Calwer-Verlages  

Über den Autor 

Dr. Stefan Anderssohn ist Sonderschullehrer und Religionspädagoge. Er hat zur Religiosität von Menschen mit geistiger Behinderung umfangreich geforscht. Stefan Anderssohn arbeitet u.a. als Religionspädagoge mit Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung und Körperbehinderung an einem großen Schul- und Therapiezentrum in Norddeutschland. Er ist außerdem seit dem Jahr 2000  Betreiber des Internetportals www.reliforum.de, dem Forum "Religionspädagogik & Geistigbehindertenpädagogik" . Mehr über den Autor erfahren Sie unter www.anderssohn.info

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Stefan Anderssohn (2007): Artikel "Religionsunterricht und Schulkultur ... am Beispiel eines klassenübergreifenden Martinsfestes"; erschienen bei www.reliforum.de. URL: http://www.anderssohn.info/reliforum//index.php?option=com_content&task=view&id=52