Von der Integration zum inklusiven Religionsunterricht

Der Begriff "Inklusion" ist - verglichen mit seiner gegenwärtigen Bedeutung - rein relativ junger Bergriff in der Bildungslandschaft. "Inklusion" nahm etwa seit der Jahrtausendwende im deutschsprachigen Raum richtig Fahrt auf und beflügelte hier die Konzeption eines integrativen Unterrichtes, der im wesentlichen die Teilhabe von Schülern mit Behinderung am Regelschulunterricht fokussierte.

"Inklusion" indes bedeutet mehr: Es geht nicht mehr nur um Menschen mit Behinderung und auch nicht nur um Schule, sondern um die Vielfalt in unserer Gesellschaft, wie sie auch in Bildungsprozessen sichtbar wird. Eine bildungsmäßig relevante Vielfalt kann durch das Vorliegen von Behinderung, durch Religion, die Schichtzugehörigkeit, das Geschlecht oder auch den kulturellen Hintergrund erzeugt sein. Schulische Inklusion ist bestrebt, dieser Vielfalt pädagogisch gerecht zu werden. Schulische Inklusion endet nicht mit dem Unterrichtsvormittag und an der Klassentür, sondern betrifft die gesamte Schule - von der Barrierefreiheit des Gebäudes bis hin zu Denkbarrieren in den Köpfen des Schulpersonals.     

Inklusion und christliches Menschenbild weisen darüber hinaus eine erhebliche Schnittmenge an Werhaltungen und Sichtweisen auf - nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sich die Inklusionsidee im Kontext der europäischen jüdisch-christlichen Geistesgeschichte entwickelt hat.

Daher verwundert es nicht, dass es frühzeitige Versuche seitens der Religionspädagogik gab, diesen Zusammenhang zwischen Inklusion und Religionsunterricht aufzugreifen und fruchtbar zu machen. Zurzeit gehen vom Religionsunterricht wesentliche Impulse aus, inklusiven Religionsunterricht zu gestalten. Dieser Brückenschlag fällt der Religionspädagogik aus meiner Sicht aus zwei Gründen besonders leicht: Erstens, weil der Religionsunterricht im Fächerkanon der Schule einen besonderen Status innehat. Zweitens, weil die Religionspädagogik schon lange vor dem Aufkommen des Inklusionsbegriffes - vor allem im Elementar- und Grundschulbereich - integrativ ausgerichtet war und ihr ein erprobtes Repertoire an handlungsorientierten Methodenrepertoire und offenen Unterrichtsformen zur Verfügung stand.

Hans-Jürgen Röhrig hat vor eingien Jahren den lesenswerten Versuch unternommen, den Weg von einer integrativen Pädagogik zum inklusiven Religionsunterricht nachzuzeichnen1 . Für Röhrig wird inklusiver Religionsunterricht gekennzeichnet durch:

  • gemeinsamen Unterricht,
  • in den sich Schüler mit verschiedenstenVoraussetzungen und mit unterschiedlichen Lernzielen einbringen können,
  • flexible Organisationsformen und Methoden,
  • dialogische und kooperative Arbeitsformen
  • eine entwicklungsorientierte, elementarisierende Vermittlung bei der Arbeit an gemeinsamen Lerngegenständen

Diese Skizzierung dürfte eine bis heute akzeptierte Konzeption des inklusiven Religionsunterrichtes darstellen. Unschwer ist die Orientierung an der entwicklungslogischen Didaktik zu erkennen. Für die Überführung dieses Konzeptes in die Praxis wird es im Wesentlichen darum gehen, diesen Aspruch für den Unterrichtsalltag zu konkretiseren. Aber auch darum, die ungelösten konzeptionellen Fragen - wie zum Beispiel die Antwort auf die Frage, was ein gemeinsamer Lerngegenstand überhaupt sein soll - zugunsten einer pragmatischen Umsetzung zu lösen. 

Im Jahr 2014 hat die Projektgruppe Inreb (Inklusive Religionslehrerbildung)  zehn Grundsätze zum inklusiven Religionsunterricht veröffentlicht2, die als Diskussiongrundlage verstanden werden wollen. Diese Grundsätze sind Thesen zu drei Aspekten inklsuiver pädagogischer Setting - ähnlich dem "Index für Inklusion" von Booth und Ainscow: 

Kulturen (Formen des Miteinanders)

1. Inklusiver Ru fördert ein positives Verständnis von Vielfalt.
2. Ein wertschätzender Umgang wird praktiziert
3. Barrieren der Teilhabe werden erkannt und verringert

Strukturen des inklusiven RUs

4. Berücksichtigung verschiedener Interessen und Bedürfnisse der SuS
5. Jede/r kann Unterstützung einfordern/anbieten.
6. Dialog als durchgängiges Prinzip

Praktiken im inklusiven RU

7. erfolgreiches Lernen durch Differenzierung und Orientierung an Lernvoraussetzungen
8. zieldifferentes Arbeiten am gleichen Lerngegenstand
9. wertschätzende Leistungsbewertung
10. fachsspezifischer Bezug der allgemeinen inklusiven Didaktik auf die spezifischen Lerngegenstände und -prozesse des Religionsunterrichtes

Vier dieser zehn Grundsätze (4, 7, 8, 10) gehen in eine ähnliche Richtung und lassen deutlich werden, dass eine wesentliche Herausforderung des inklusiven Religionsunterrichtes im Bereich Lern-Wege und fachspezifischer Differnzierung liegt.   

Literaturnachweis

1Röhrig, Hans-Jürgen (2009): Von der integrativen Pädagogik zum inklusiven Religionsunterricht.
In: Schule und Kirche (2), S. 10–12. Online verfügbar unter http://www.ekir.de/pti/Downloads/integrative-paedagogik.pdf, zuletzt geprüft am 15.1.2017

2 Projektgruppe Inklusive Religionslehrerbildung (InReb) (2014): Zehn Grundsätze für inklusiven Religionsunterricht. Münster: Comenius-Inistitut.
Online verfügbar unter http://www.comenius.de/themen/Inklusion/Zehn_Grundsaetze_fuer_inklusiven_Religionsunterricht_2014.pdf.

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in dem
"Handbuch inklusiver Religonsunterricht"
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Seite 21ff. und  53 ff.

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Diesen Artikel zitieren:
Stefan Anderssohn (2017): Von der Integration zum inklusiven Religionsunterricht. Verfügbar im Internet:  http://reliforum.anderssohn.info/index.php/was-ist-inklusiver-ru/merkmale-des-inklusiven-ru [zuletzt geprüft am: Ihr Abrufdatum]