Rituale im Religionsunterricht: Praxis

Praktische Rituale für den RU

Aufbauend auf dem Grundlagenartikel über Rituale, den Sie hier nachlesen können, werden in diesem Artikel ein paar praktische Rituale dargestellt, die auch Sie in Ihrem Unterricht aufgreifen können. Die Zusammenstellung basiert auf einer Befragung von Religionslehrkräften und auf den eigenen praktischen Erfahrungen des Autors.

Einteilung von religionspädagogischen Ritualen

Für den Einsatz im Religionsunterricht bietet es sich an, Rituale zu unterscheiden, je nachdem, ..

  • zu welchem Zweck sie ausgeführt werden (Einstimmung/Sammlung, Zusammenfassung, Überleitung oder Eröffnung),
  • ob sie eher auf Personen und Handlungen oder Gegenständen zentriert sind,
  • welche Sinneskanäle sie ansprechen: Sehen, Hören, Bewegung, Riechen, Schmecken,
  • in welchem zeitlichen Abstand sie wiederholt werden (täglich, wöchentlich, monatlich oder halbjährlich.

Rituale für bestimmte Zwecke

Einstimmung auf die Religionsstunde (gegenständlich) 

Manchmal, insbesondere bei Fachlehrerunterricht (und wenn diese Fachlehrer dann auch noch zwei oder mehr Fächer in derselben Klasse unterrichtet), ist es ratsam, die Unterrichtsstunden durch ein sichtbares Zeichen zu qualifizieren. Damit wird den Schülern klar, dass ein neuer Abschnitt im Schulvormittag begonnen hat. 

  • Eingangsritual mit einem so genannten "Setting".  Ich gestaltete eine Tisch-/Altardecke mit geistigbehinderten Schüler/innen und Schülern. Mit dieser Decke gestalteten wir jeweils einen Tisch zu Beginn der Religionsstunden, indem wir eine Bibel und einen Leuchter auf die Decke stellten. Dies war ein sichtbares Zeichen dafür, dass jetzt "Religion dran ist".
  • Dieses Ritual kann durch den Einsatz einer Duftlampe mit ätherischen Ölen ergänzt werden.
  • Ein anderer Kollege berichtet: "Das gewählte ‘Setting’ macht klar: hier passiert etwas Besonderes. Nach einer gewissen Zeit der Gewöhnung registrieren die Jugendlichen, wenn ich ‘mal bewußt Gegenstände weglasse oder z.B. ‘vergesse’, die Kerze anzuzünden."
  • Eine andere Sitzordnung als im sonstigen Unterricht
  • Für Erzählphasen, zu Beginn einer Unterrichtsphase: Meditationsmusik; Wolldecken zum Einkuscheln
  • Raum im Halbdunkel

Persönliche Einstimmung (personal und gegenständlich)

Hier geht es um die persönliche Einstimmung und die BEfindlichkeit der Schülerinnen und Schüler. 

  • Begrüßungsritual: Teelichter: Stuhl-/Sitzkreis mit kleinem Tisch (hübsche Decke; große Kerze) in der Mitte. An dieser Kerze wird für jeden Schüler ein Teelicht angezündet und um diese große Kerze gestellt. Variation: Ein Schüler nimmt ein Teelicht, entzündet es an der Tischkerze und reicht es einem Mitschüler mit den Worten: „XY, ich freue mich, daß Du da bist“. Dieser stellt sein Teelicht auf den Tisch, nimmt ein neues Teelicht und verfährt wie der erste Schüler.
  • Begrüßungsritual Sonnestrahl: Stuhlkreis mit kleinem Tisch und gelber Tischdecke in der Mitte. Lange Kreppapierstreifen in gelb und orange als „Sonnenstrahlen“ (pro Schüler einen) auf die Tischdecke kleben. Singen des Liedes „Vom Aufgang der Sonne“ durch entsprechendes Heben und Senken der „Sonnenstrahlen“ begleiten.
  • Morgenkreis: In der Mitte des Stuhlkreises steht ein Korb mit bunten Federn und Steinen (unterschiedliche Größe). Jede/r Schüler/in sucht sich je nach seinem/ihrem Befinden einen Stein (für Ärger, Langeweile, Trauriges) oder eine Feder (für ein schöne Erlebnis am Vortag, Wochenende) aus und erzählt
    davon . Anschließend werden die Federn/Steine in die Mitte gelegt: Welches Gesamtstimmungsbild ergibt sich? Es ist eine Hilfe, die eigenen Gefühle auszudrücken.
  • Stilleübung, o.ä. oder intensives Hören auf die Geräusche der Umgebung (Vogelstimmen o.ä.)
  • Begrüßung: „Guten Morgen“ – jedem Kind die Hand geben und den Namen sagen (bes. am Anfang des Schuljahres wichtig, um die Namen zu lernen)
  • ein Lied, dessen Melodie mit der Flöte vorgespielt wird; in der Regel sind die Kinder „ganz Ohr“
  • Der Unterricht beginnt immer mit einem einfachen Lied oder Kanon, zum Beispiel: „Laßt uns miteinander“, „Der Himmel geht über allen auf“, „Vom Aufgang der Sonne“ etc.

Einstimmung auf den Lerngegenstand (gegenständlich)

Hier geht es darum, die Schüler auf den Lerngegenstand zu zentieren, z.B. wenn mehrer Stunden an einem Thema gearbeitet wird 

  • Lied und Windlicht: Diese Idee hat meine Kollegin, Rebecca Johannsen, umgesetzt. Als Einstieg in die Sankt-Martins-Stunden präsentierte sie den Schülern ein großes Weckglas-Windlicht mit Windowcolor-Symbolen (Pferd/Mantel/Schwert). Dazu sang die Klasse das Martinslied, das durch Gebärden begleitet wurde.
  • Stilleübungen, z.B. Herumgeben von Gegenständen, die zum Thema passen, einer brennenden Kerze

Einstimmung auf den Lerngegenstand (personal)

Ähnlich wie oben, nur ohne Gegenstände

  • Zu manchen Themen gibt es passende Lieder, die eine Geschichte oder ein Gefühl transportieren
  • Tanz als Ausdruck der Freude – fließt in verschiedene Themen ein.
  • Refrain: ( zum Beispiel: „Danke …/ Hallelujah/Hört, hört …) wird durch Klatschen oder Armbewegung (Arme hoch, wenn wir Gott loben) mitgemacht. Rhythmus der Lieder sehr wichtig, oft haben wir Klangstäbe usw. eingesetzt.

 Wo stehen wir? Zusammenfassung der Stunde (gegenständlich)

Bei mehrstündigem Arbeiten an einem Thema bietet sich ein ritualisierter Rahmen an, den derzeitigen Stand des Projektes mit Bildern zu symbolisieren, etwa so:

  • Zur Verdeutlichung des Fortschritts der Sankt-Martins-Projektes (Ziel: ein Schattenspiel) wird für jede  Stunde ein neues Puzzleteil/Symbol eines Martinsbildes auf ein Plakat geklebt. Ist das Plakat vollständig, haben wir das Ziel erreicht.
  • Die Stundenthemen zu Abraham und Sara werden auf einem Plakat (als Weg gestaltet) in Form unterschiedlicher Bildsymbole (Bilder von Sara und Abraham: Einführungsstunde, Fußspuren: Aufbruch und Zweifel; Stern: Versprechen Gottes, usw.) aufgeklebt, bis der ganze Weg mit Symbolen 'abgeschritten' ist.  

Einstimmung/Abschluss (personal)

Hierbei geht es darum, die Unterrichtsstunde abzurunden und auch emotional zu beenden  

  • freies Gebet zum Schluß
  • Lieder mit Gebärden
  • (s. o.)

Hilfreiche Literatur 

  • Petersen, Susanne (2001): Rituale für kooperatives Lernen in der Grundschule : für jeden Tag und das Schuljahr ; für Anfang und Ende der Grundschulzeit / Susanne Petersen. Berlin: Cornelsen Scriptor (Lehrer-Bücherei : Grundschule) ISBN 3-589-05063-2

Über den Autor 

Dr. Stefan Anderssohn ist Sonderschullehrer und Religionspädagoge. Er hat zur Religiosität von Menschen mit geistiger Behinderung umfangreich geforscht. Stefan Anderssohn arbeitet u.a. als Religionspädagoge mit Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung und Körperbehinderung an einem großen Schul- und Therapiezentrum in Norddeutschland. Er ist außerdem seit dem Jahr 2000  Betreiber des Internetportals www.reliforum.de, dem Forum "Religionspädagogik & Geistigbehindertenpädagogik" . Mehr über den Autor erfahren Sie unter www.anderssohn.info

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Anderssohn, Stefan (2007): Artikel: "Rituale  im Religionsunterricht - Praxis". Verfügbar im Internet URL: http://reliforum.anderssohn.info/index.php/reliforum-artikel/101-rituale-im-religionsunterricht-praxis [zuletzt geprüft am: Ihr Abrufdatum]