Subjektorientierung: Themen und Strukturen
Es liegt auf der Hand, dass ein inklusiver Religionsunterricht, der die Vielfalt innerhalb der Lerngruppe berücksichtigen will, sich am einzelnen Schüler orientiert. Dieser Ansatz wird auch Subjektorientierung bezeichnet.
Nach meiner Erfahrung macht es Sinn, bei der Subjektorientierung zwischen zwei Perspektiven zu unterscheiden, die zwar verschieden sind, sich aber gegenseitig ergänzen. Es handelt sich dabei um die Perspektive der Themen und Strukturen. Ich habe dieses Konzept in meiner Forschungsarbeit zur Religiosität von Menschen mit geistiger Behinderung entwickelt. Es ist allerdings nicht nur auf diese Gruppe von Personen beschränkt, sondern universell einsetzbar.
Dabei handelt es sich um das Konzept der "Themen und Strukturen". Wenn ich Lernagebote für eine Gruppe von Schülern gestalte, orientiere ich mich an zwei Gesichtspunkten:
A) Themen: Welche Inhalte sind für die Schülerinnen und Schüler aufgrund ihres Alters, ihrer Lebenssituation oder aufgrund der aktuellen Ereignisse relevant?
B) Strukturen: Mit welchem kognitiven "Rüstzeug", d.h. mit welcher Form der Umweltaneignung (basal-körperbezogen oder sprachlich-abstrakt) können sie sich den Lernninhalt erschließen - bzw. ist der Inhalt erschließbar?
Abbildung 1:Themen und Strukturen als komplementäre Ansätze der Subjektorientierung im inklusiven Religionsunterricht (c) Stefan Anderssohn
Themen: die inhaltliche Bandbreite
So gesehen stellen die Themen so etwas wie die inhaltliche Bandbreite des inklusiven Religionsunterrichtes dar: Schöpfung, Freundschaft, Umgang mit Tod und Trauer oder Klassenregeln - dies wären Inhalte, die bei der Lerngruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt "dran sein" können. Dabei habe ich herausgefunden, dass es einige Themen gibt, die enger mit dem Lebensalter und der sozialen Position zusammenhängen, wie zum, Beispiel "Freundschaft" oder "Arbeit". Diese Themen haben ihre sensible Phase, in der die Bereitschaft zur Auseinandersetzung damit besonders erhöht ist, im Jugend- und frühen Erwachsenenalter. Andere Themen wie "Tod" spielen zu ganz unterschiedlichen Lebensaltern eine Rolle.
Strukturen: entwicklungsmäßige "Tiefenschärfe"
Die Strukturen stellen dann so etwas wie eine Tiefendimension dar. Die Inhalte gewinnen jetzt unter dem Gesichtspunkt der Verstehensvoraussetzung gewissermaßen "Tiefenschärfe":
- basale oder undiffernzierte Struktur: die Auseinandersetzung mit religiösen Inhalten findet hauptsächlich über körpernahe Sinne und oftmals vermittelt durch eine Bezugsperson statt.
- intuitive Struktur: Das Kommunizieren über Bilder, Sprache und Symbole ist möglich, dabei stehen plastische Bilder und weniger der detailliert ausgearbeitete Hintergrundzusammenhänge im Fokus.
- konkrete Struktur: Orientierung an konkreten Zusammenhängen des Lebensumfeldes, teilweise auch sehr detailliertes Wissen darüber, zunhemende Überprüfung der Vorstellungen an dem Konzept der "Realität".
- abstrakte Struktur: Es besteht die Möglichkeit, vom Konkreten auf das Übertragene zu schließen, z.B. Metaphern zu verwenden.
Konsequenzen für den inklusiven Religionsunterricht
Die wichtigste Konsequenz, die sich hieraus für den inklusiven Religionsunterricht ziehen lässt, ist die Erkenntnis, dass sich dieser Unterricht nicht nur thematisch an der Vielfalt seiner Schülerinnen und Schüler orientieren muss. Etwa in genderspezifischen Themen. Bei der Konzeption inklusiven Religionsunterrichtes ist die lernpsychologische Tiefenschärfe ein wesentlicher Aspekt, den es mitzubedenken gilt. Wie das funktionieren kann, zeigt die Konzeption der Aneignungsformen und Lern-Wege.
Übrigens: Die individuellen religiösen Denk-Strukturen sind nicht zu verwechseln mit den Strukturen der Elementarisierung (s. Artikel "Elementarisierung").
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Diesen Artikel zitieren: Stefan Anderssohn (2017):Subjektorientierung: Themen und Strukturen. Verfügbar im Internet: http://reliforum.anderssohn.info/index.php/was-ist-inklusiver-ru/subjektorientierung-themen-und-strukturen [zuletzt geprüft am: Ihr Abrufdatum] |